Ein im Sand verborgener Schatz
Man kann nicht über das Städtchen Kolomanskop sprechen, ohne einen Blick auf seine Geschichte zu werfen – ohne zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückzukehren, an dem Namibia noch eine „Südwestafrika” genannte deutsche Kolonie ist. Um diese Zeit finden die Arbeiter beim Bau der Eisenbahnverbindung zwischen Luderitz und Aus die ersten Diamanten. Hunderte Schürfer fallen auf der Stelle über das Gebiet her, und die Preise für Unterbringung, Lebensmittel und Wasser schießen in die Höhe. Man schreibt das Jahr 1907. Das Diamantenfieber bricht aus.
Die Diamanten liegen einfach auf der Erde. Man braucht nur gefärbte (Schutz)Brillen, legt sich auf die Erde und beginnt, den Sand zu durchwühlen. Jeder kann das machen, doch nicht jeder ist erfolgreich.
Schon bald beschließt die deutsche Regierung, die Sache mit der Förderung zu regulieren. Man schließt das Gebiet, und das Fördern ist nur noch einigen wenigen Unternehmern erlaubt. Der Diamantenbergbau im industriellen Maßstab beginnt.
Aufstieg und Fall der Stadt
Das kleine Städtchen Kolmanskop, das man nahe an den Minen gebaut hat, entwickelt sich augenblicklich zum Verwaltungszentrum der Diamantenindustrie. Rund dreihundert deutsche Arbeiter lassen sich hier nieder. Viele von ihnen bringen, angezogen von der Garantie auf Arbeit und hohen Gewinn, ihre gesamte Familie mit. Die wichtigsten Menschen, – der Leiter, der Buchhalter, der Quartiermeister und der Minenarchitekt – leben in stattlichen zweistöckigen Häusern. Die Übrigen – Spezialisten von niedrigerem Rang – wohnen in kleineren, einstöckigen Gebäuden. Kolmanskop wird zu einer Oase der deutschen Kultur, in der exakt auf die Bedürfnisse der reichen Siedler zugeschnittene Unterhaltung und Erholung geboten wird. Es gibt eine Sauna, ein Schwimmbad, Tennisplätze, ein Karussell, eine Bar, ein Casino, eine Kegelbahn, sowie einen großen Mehrzwecksaal, in dem Bälle und Konzerte organisiert, Theaterstücke aufgeführt und Filme gezeigt werden. Die Herkunft der Einwohner und ihre Freizeitgewohnheiten beeinflussen auch ihre Art, sich zu kleiden. Man richtet sich nach den aktuellen Modetrends. Die Damen importieren Kleidung aus Europa, die sie mit lokalen Details schmücken. Die Herren tragen Anzüge, Krawatten, Lackschuhe und auf dem Kopf schwarze Zylinder. Die Einwohner leben in relativ luxuriösen Umständen, wenn man die rauen Bedingungen und die Isolation bedenkt. Und in krassem Gegensatz dazu – die 800 unter Vertrag genommenen Arbeiter, Einheimische aus Namibia, leben in einfachen Baracken in mehreren Kilometern Entfernung.
Eine ganz moderne, vollständig automatisierte Bäckerei wird in der Stadt gebaut, ebenso wie eine Metzgerei und eine Eisfabrik. Außerdem gibt es eine Polizeistation, ein Postamt, eine Schule und ein großes, modernes Krankenhaus mit dem einzigen Röntgengerät in diesem Teil Afrikas.
Die Periode des Wohlstands endet jedoch ebenso schnell, wie sie begonnen hat. Neuere und reichhaltigere Diamantenvorkommen werden an der Mündung des Flusses Oranje entdeckt, zweihundert Kilometer entfernt, die noch dazu um ein Vielfaches größer sind. Das Schicksal der Stadt, die kaum zwanzig Jahre lang existiert hat, ist somit besiegelt. Die ersten, die die Stadt verlassen, sind die gewöhnlichen Arbeiter, die in die neu errichtete Stadt Oranjemund umziehen. Einige Jahre später übersiedelt auch das Hauptquartier des Unternehmens, und mit ihm der gesamte Betriebsvorstand und das Verwaltungspersonal. Wir schreiben das Jahr 1943. Das ausgestorbene Kolmanskop ist der Gnade der Wüste ausgeliefert.
Sand – ein Symbol für das Fortschreiten der Zeit
Über ein halbes Jahrhundert später verschwindet die verlassene und von allen Seiten von der Wüste umgebene Stadt, langsam unter dem Druck des allgegenwärtigen Sandes. Langsam, aber systematisch verschluckt die Wüste jedes einzelne Gebäude und holt sich zurück, was ihr immer gehört hat. Sie dringt ins Innere der Häuser ein und erschafft dabei abstrakte, einzigartige Motive, die nirgends sonst in dieser Form vorkommen. Die symmetrischen Linien der Türrahmen werden geteilt von den wogenden Linien malerischer Dünen. Die fantasievollen Ornamente an den Decken unterstreichen die Natürlichkeit ihrer Farben und die Einfachheit ihrer Ausführung. Die spiegelartigen Reflexionen der Fensterscheiben, die Sonnenstrahlen, die durch Löcher in den Dächern eindringen. Ein subtiles Spiel aus Licht und Schatten. Ein surrealer Anblick.
MÖCHTEN SIE MEHR ERFAHREN?
Wenn Sie unveröffentlichte Bilder sehen oder zu meinen Vorbereitungen für die nächsten Trips nach Afrika, Chernobyl und Japan auf dem Laufenden bleiben möchten, fügen Sie mich auf Facebook als Freund hinzu, oder wählen Sie die „FOLGEN”-Option.